Wovor hast du am meisten Angst?
Am 16. Tag unseres Fantastischen Adventskalenders geht es um ein sensibles Thema, eine Frage, die man einem Krieger besser nicht stellt: Wovor hast du am meisten Angst.
Während das Fest Luperkalien immer näherrückt, sind Dalibor und ich wieder zurück in der Hauptstadt Pracht angekommen. Wir bringen das Pony zurück in den Stall, der in der Nähe der Unterkünfte für die Königskrieger liegt. Es riecht nach Heu und Pferden, die Luft ist vom Schnaufen der Tiere und dem Rascheln von Stroh erfüllt. Der Grinwolf Einar ist bereits zu seinem Schlafplatz in der Nähe der Kasernenküche gerannt.
„Du weißt, dass alles, was du mir erzählst, vertraulich ist und niemand in deiner Welt jemals davon erfahren wird“, sage ich, während ich beobachte, wie Dalibor den Sattelgurt meines Ponys löst und den Sattel auf den dafür vorgesehenen Halter neben dem Stall hievt.
„Das ist mir bekannt, Autorin. Redet nicht um die Frage herum und kommt lieber gleich zur Sache.“
„Also gut. Wovor hast du am meisten Angst?“
„Wovor ich am meisten Angst habe, Autorin?“ Schweigend kontrolliert er die Hufe des Tieres, aber sie sehen nach dem Ritt durch den Schnee wie frisch geputzt aus. Mit einer routinierten Bewegung streift er das Halfter ab, hängt es zu dem Sattel. Er klopft dem Pony freundschaftlich auf den Hals und entlässt es in den Stall, wo es mit einem zufriedenen Schnaufen die Schnauze in das Heu steckt. „Vor den Nebelbergen.“
„Vor den Nebelbergen?“ Ich weiß, dass der Gebirgszug die Grenze zum Nachbarland markiert. Die Berge sind immer von Wolken umhüllt und niemand aus Onsgart, der sie überquert hat, ist je lebend zurückgekehrt.
„Wer als Königskrieger versagt, wird zur Grenzverteidigung dorthin versetzt, Autorin. Ein unwiderruflicher sozialer Abstieg mit geringer Überlebenschance.“
„Das heißt, du hast Angst zu versagen.“ Ich weiß, dass er seine Aufträge gewissenhaft ausführt und er niemand ist, dem man Versagen vorwerfen kann. Doch nicht alles liegt in seiner Hand.
„Wer hat das nicht, Autorin?“