Wie stimmst du dich auf das große Fest Luperkalien ein?
An meinem dritten Tag des Fantastischen Adventskalenders erreichen wir die Hauptstadt Pracht.
Die Kutsche rattert über das Kopfsteinpflaster an mit Schnitzereien und bunten Bleiglasfenstern verzierten Fachwerkbauten vorbei bis zum Wolfsbrunnen, wo ein steinerner Luperkus in herrischer Pose neben einem Grinwolf Wasser in ein mit Zweigen geschmücktes Becken spuckt.
Hier erwartet mich Dalibor. Er öffnet die Tür der Kutsche und hilft mir beim Aussteigen.
„Willkommen in Pracht, Autorin Anja Fahrner.“, sagt er mit einer angedeuteten Verbeugung. „Hattet Ihr eine gute Reise?“ Ein stattlicher Krieger tritt mir gegenüber. Er trägt die Rüstung eines Königskriegers mit dem Baumwappen auf der Brust.
„Ja, danke.“ Bei den Worten muss ich mich anstrengen, nicht das Gesicht zu verziehen. Ich kann ja schlecht über das unbequeme Geholpere in der Eiseskälte jammern, das in dieser Welt völlig normal ist. Verstohlen mustere ich Dalibors fellige Beine, die scharfen Krallen an den Füßen – und merke, wie er mich ebenfalls unauffällig mustert, auf eine vornehme Art, wie man sie von Adligen kennt. Er ist kein Adliger, bewegt sich jedoch unter Hochwohlgeborenen.
„Ich bin Luperkus Dalibor und mir wurde aufgetragen, Eure Fragen zu beantworten, Autorin. Ich würde vorschlagen, gleich anzufangen.“
„Ja, natürlich.“ Mir wurde aufgetragen, klingt nicht gerade so, als ob er sich um den Auftrag reißen würde. Ich blicke zu ihm auf, in seine undurchdringliche Miene, und versuche vergeblich, seine Gefühle einzuschätzen. „Ich würde gerne über das große Fest sprechen, über Luperkalien. Kannst du mir kurz erklären, was das ist?“
„Luperkalien.“ Bedächtig neigt er den Kopf. „Die Erweckungszeremonie der Königskrieger. Gott Picus schenkt auserwählten Knaben aus Waisenhäusern besondere Fähigkeiten, damit sie die Bauern vor Raubtieren und anderen Gefahren schützen. Es stellt auch den Abschied vom Winter dar und das Beten für ein fruchtbares Jahr. Es wird am 15. Februar gefeiert, Autorin.“
„Wie stimmst du dich auf Luperkalien ein?“ Seine Worte klingen wie auswendig gelernt. Wenn er wüsste, was tatsächlich hinter der Zeremonie steckt, würde er das nicht so gemächlich erzählen.
„Einstimmen, Autorin?“ Fragend hebt er eine buschige Augenbraue.
„Bereitest du dich irgendwie auf dieses Fest vor?“, wandle ich die Frage um. Meine Gedanken an Adventskränze, Geschenke, Plätzchen und Lebkuchen sind hier wohl fehl am Platz. Außerdem nervt es mich, ständig Autorin genannt zu werden. Das ist schließlich kein Adelstitel.
„Wir Königskrieger benötigen keine besondere Vorbereitung, Autorin.“ Von uns wird erwartet, dass wir repräsentieren, in der Paradeuniform während der Zeremonie um die Statue des Gottes Spalier stehen. Danach gibt es ein außergewöhnliches Festmahl im Schloss, zu dem alle Adelsfamilien geladen sind.“