Mit Ralyana schleiche ich auf die Rückseite des Dorfes, denn ihre Späher haben Besuch gemeldet, der uns nicht entdecken darf. Sollte ich jetzt nicht lieber Sumas verlassen? Ich weiß, wer da kommt und ich weiß auch, wie unberechenbar sie sind. „Nein“, schimpfe ich mit mir. „Ich darf nicht so feige sein! Außerdem wissen sie ja nicht, dass wir hier sind.“ Um mich zu beruhigen, atme ich mehrmals tief ein und aus: „Bist du das geworden, was du früher werden wolltest?“, flüstere ich kaum hörbar.
Anstatt mir zu antworten, beobachtet Ralyana wie gebannt den Hügelkamm oberhalb des ärmlichen Dorfes.
Bald schon erkenne ich sieben bullige Männer in Lederkleidung, die Armbrüste auf ihren Rücken tragen. Sie sehen verwahrlost aus, mit langen verfilzten Haaren, wild blitzenden Augen und den geschmeidigen Bewegungen von Raubtieren. Bei ihnen befinden sich vier Frauen, an deren unterwürfigen Blicken ich deutlich erkenne, wer hier das Sagen hat. Hüfthohe affenähnliche Kreaturen mit spitzen Zähnen springen aufgeregt um sie herum, teilweise mit bräunlich verfärbten Bündeln beladen.
„Ousadaps Söhne“, zischt Ralyana. „Sie kommen aus der Stadt in der Ebene, um uns neuen Zuwachs zu bringen.“
Das ist also eine der Jägerrotten mit ihren Jagdgefährten, den Sumaren. Einer der Männer gibt einer grauhaarigen gebeugten Alten einen kräftigen Stoß in den Rücken. Während die Frau ein Stück den Hügel hinunter stolpert, lässt er seinen Blick prüfend über die geduckten Hütten unterhalb schweifen. Die Mulde in meinem Rücken kommt mir plötzlich so winzig vor, der Ort wie eine Falle. Warum bin ich nochmal hier geblieben? Doch der Kerl verliert rasch das Interesse, brummt seinen Leuten etwas zu, worauf die Sumaren ihre Bündel abladen und sich die Meute wieder entfernt. Die Dorfbewohner strömen den Hügel hinauf, scharen sich um die Bündel und die Neue, die gebeugt und mit hängendem Kopf stehengeblieben ist.
„Wenn sie jemand hier abladen, bringen sie auch ein paar Almosen mit“, sagt Ralyana bitter. „Meist zähes Fleisch von irgendeinem ihrer an Altersschwäche gestorbenen Bullrocks. Doch wir sind über alles froh.“
„Was wolltest du früher einmal werden?“, wiederhole ich die Frage und atme erleichtert aus.
„Ich wollte immer zu einer der Rotten gehören.“
„Zu einem dieser wilden Haufen und rohen Mannsbilder?“
Sie blitzt mich wütend an. „Bei denen hungert man wenigstens nicht und wird beschützt. Außerdem darf man die kalte Zeit in der Stadt verbringen. Ich könnte Kinder kriegen. Aber keiner der Jäger weiß, dass es mich gibt. Ich bin hier geboren, musste mich immer verstecken. Meine Mutter sagt, die Jäger seien alles Bestien und ich muss mich von ihnen fernhalten.“ Sie wiegt nachdenklich den Kopf. „Ich kann das nicht glauben. Nicht alle von denen können bösartig sein.“