Charakterofseptember Teil 2: Persönliches von Alvan, dem Kriegersklaven des Hohen Rates

„Mit was willst du mich heute nerven?“
Ich zucke zusammen, denn ich habe ihn nicht kommen kören. Das ist so eine Eigenart von ihm, sich anschleichen, so lautlos, dass ihn niemand bemerkt. Ich richte mich auf, denn ich war gerade dabei, die Tomaten abzuräumen und hing mit meinem Kopf halb im Gebüsch. „Wir haben schon wieder Herbst“, sage ich zu ihm. „Die Pflanzen sind schon verdorrt, aber die grünen Früchte werde ich nachreifen lassen.“
„Aha.“

Das scheint ihn wenig zu interessieren und die Zeit totreden, damit ich diese blöde Frage nicht stellen muss, bringt ja auch nichts. Also: „Was bringt dich zum Lachen?“, gehe ich zum Angriff über.
Er schaut mich mit unbewegter Miene an, stumm und eindringlich, als sei er der festen Überzeugung, ich habe im Kopf nicht alles beieinander. „Deswegen sollte ich heute kommen?“
„Ähm“, räuspere ich mir die Kehle frei, denn ich habe ihn noch nie Lachen gesehen. Er amüsiert sich zwar auch, aber das macht er auf seine Art, eher versteckt, meist sieht man es nur an seinen Augen oder einem leichten Schmunzeln. „Wie siehst du dich selbst“, gehe ich rasch zur nächsten Frage über.
„Wie ich mich selbst sehe?“ Er verschränkt die Arme vor der Brust. „Das interessiert ja eigentlich niemand, denn ich habe zu tun, was man mir sagt.“
„Willst du nicht drüber reden, wer du in Wirklichkeit bist oder sein willst?“
„Nein.“
Das war eine klare Antwort und er wirkt nicht so, als würde er sich vom Gegenteil überzeugen lassen. Hätte ich nicht doch lieber eine andere Person für diese Challenge auswählen sollen?
„Du ärgerst dich über mich.“
Das war eine Feststellung, keine Frage. Ich sehe, wie seine Miene weicher wird, er unmerklich schmunzelt. „Du fragst dich, warum du nicht jemand anderes für diesen Kram ausgesucht hast.“
Diesmal schweige ich. Das ist der Alvan, den ich mag. Er spürt auf emotionaler Ebene mehr als es jeder Mensch könnte, mehr als ihm lieb ist, aber er ist noch dabei, diese Fähigkeit zu entdecken, sie zu ergründen und zu verstehen. Sich selbst zu verstehen.
„Was wäre die nächste Frage?“ Er schaut mich an, diesmal nicht mürrisch, sondern auf einer Ebene des gegenseitigen Verständnisses.
„Wie wirst du in Wahrheit von anderen gesehen?
„Sturer Hurensohn, verdammter Kriegersklave. Ich glaube, die Menschen hätten mich gerne fügsamer und besser gelaunt. Sie mögen jedoch meine ausgeprägten Sinne und meine Kampfkraft. Meine Herren wissen, wenn sie mir ihr Leben anvertrauen, dann schütze ich es auch.“ Diesmal bringt er fast so etwas wie ein Lächeln zustande.
Und ich bin zufrieden mit ihm.

Anja Fahrner - Autorin
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